

Die in der allgemeinen Erläuterung verwendeten Begriffe wie Bewegung, Energie, Kreis, Drehung, Zentrum, Nabe und Speichen lassen sich direkt auf AIKIDO übertragen. Das japanische Wort "kaiten" - allen bekannt aus unserer Verteidigungstechnik Kaiten-Nage - bedeutet drehen, rotieren, rollen wie ein Rad um seine Achse. Beim Kaiten-Nage führt der Nage den Uke an der Angriffshand (Speiche) auf der durch seine Körperachse (Nabe) zentrierten Kreisbahn. Der bedeutende Aikido-Meister Andr?ocquet, 8. Dan Aikido, hat seinen Schüler Rolf Brand bei der Ausführung des Kaiten-Nage einmal wie folgt korrigiert: "Du musst dort stehen, wo sich die Achse befindet. Wer dieses Zentrum verlässt, wird durch die Speichen des Rades erschlagen!" Dass wir diesen "sicheren Platz" in 2005 immer finden und einnehmen mögen, ist der Wunsch, den wir mit der diesjährigen Marke verbinden können.
Auch im Bereich der Fall-Techniken hat das Bild vom Rad eine wichtige Bedeutung. Wer zum Beispiel Mae-Ukemi geübt hat, weiß, wie sehr die Vorstellung vom Rad beim Erfassen der gewünschten Bewegungsfolge hilft.
Von der eher technischen Ebene komme ich nun zu einigen philologischen Überlegungen. Die zentrale Tätigkeit des Rades ist, wie wir gesehen haben, Bewegung. Das Verb "bewegen" ist transitiv, das heißt, es ist aktiv wie passiv zu verwenden: ich bewege jemanden, ich werde von jemandem bewegt. Es sind also männliches (Yang) wie weibliches Prinzip (Yin) eingeschlossen, die nicht nur im Aikido von größter Bedeutung sind. Das Reflexivpronomen ermöglicht eine weitere Formulierung: nämlich "sich bewegen". Das ist in unserer Budo-Disziplin essentiell.
Damit bin ich auf einer philosophischen Ebene des Aikido angelangt. Auf unserem Do können wir nicht stehen bleiben, wir müssen uns in mehrfachem Sinne des Wortes bewegen, nicht Stillstand ist gefragt, sondern Weiterentwicklung, in technischer wie charakterlicher Hinsicht. Ein weiterer Aspekt erscheint mir wichtig: wir alle kennen das Gefühl, das sich einstellt, wenn eine Bewegungsfolge im Zusammenspiel mit dem Uke harmonisch erscheint, man könnte es Glücksgefühl nennen. In diesem Augenblick haben wir jemanden bewegt und sind gleichzeitig bewegt, das heißt: berührt. Hier erhält "Bewegung" noch eine emotionale Komponente. In sich ruhend wie die Nabe des Rades können wir uns empfinden - als Zentrum der Kraft.
Das Rad besitzt auf einer Metaebene sogar kosmische Bedeutung, wie ich oben ausgeführt habe. Das ergibt für uns: gleichgültig in welcher Position innerhalb seines Kreislaufs wir gerade stehen, aktiv oder passiv, oben oder unten, innen oder außen - wir sind eingebunden in ein großes Ganzes.
Harald Ketzer
SC Steinberg 1953 e.V.