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Aufsätze

jsm_2008Wie vom Präsidium der AUD entschieden, zeigt die Jahressichtmarke für 2008 das Motiv „Feuerwerk". War die letztjährige Sichtmarke vom weiblichen Element Wasser geprägt, so verweist das neue Motiv auf Feuer, das männliche Pendant.  Feuer und Wasser gemeinsam sind die beiden großen Prinzipien des Universums, das Aktive und das Passive, der Himmelsvater und die Erdmutter. Diese beiden Elemente liegen im Streit miteinander, sind aber als Wärme und Feuchtigkeit notwendig für alles Leben. Bei vielen Völkern wurde Feuer als etwas Göttliches verehrt: z.B. bei den Babyloniern, den Azteken. Im Abendland liegt uns vielleicht die griechisch-römische Mythologie näher, die das Feuer als Attribut ihren Göttern Hephaistos und Vulcanus gab. Es ist auch ein Symbol der Herdgöttin Hestia/Vesta.

jsm_2008Im Hinduismus gibt es den Feuergott Agni. Den schrecklichen, zerstörerischen Aspekt des Feuers verkörpert die Göttin Kali oder Durga. Der Flammenkreis ihres Gatten Shiva steht für den kosmischen Zyklus von Schöpfung und Zerstörung. Auf dem Archipel von Hawaii scheint Feuergöttin Pele noch heute präsent.

In der Fünf-Elemente-Lehre in China und Japan verbinden sich mit Feuer außerordentlich viele Analogien: u.a. als Farbe Rot, als Himmelsrichtung Süd, als Jahreszeit Sommer, als Tageszeit Mittag, als Form Pyramide und als Gefühl Freude. Dieses Element steht für dynamische Aktion und zeigt das männliche Prinzip Yang.

Im Christentum hat das Feuer zum Teil widersprüchliche symbolische Bedeutungen. Im Alten Testament ist es ein Symbol Jahwes: er offenbart sich Moses in einem brennenden Dornbusch oder zieht in Gestalt einer Feuersäule vor seinem Volk her. Im Neuen Testament gibt es auch die negative Bedeutung des Feuers als Symbol der Hölle. Die römisch-katholische Lehre vom reinigenden Fegefeuer bezeichnet den Zustand der Läuterung des Menschen nach dem Tod. Anders zu verstehen sind die Flammen, die zu Pfingsten auf die Jünger Jesu hernieder gehen – ein Symbol des Heiligen Geistes. Eine Flamme auf dem oder um das Haupt repräsentiert – ähnlich wie der Heiligenschein – göttliche Kraft und den Kopf als den Sitz der lebendigen Seele.

In unserem heutigen Sprachgebrauch verwenden wir noch das Verb „entflammen" und meinen damit nicht nur „das Feuer zum Brennen bringen", sondern auch im übertragenen Sinne „Hass oder Liebe entfachen". Mephisto sagt zu Faust in Goethes gleichnamigem Drama: „Ah bravo! Find ich Euch in Feuer? In kurzer Zeit ist Gretchen Euer." Der französische Komponist Hector Berlioz lässt Marguerite in seiner Faust-Vertonung singen: „L´amour – l´ardente flamme ..." Und dass diese Metapher ihre Berechtigung hat, konnten wir sicherlich alle in unserem Leben am eigenen Leibe erfahren.

Aber es gibt auch die Liebe, das Brennen für ein Thema. Wie schön, wenn Lehrer wie Schüler beim Aikido mit Feuer dabei sind. Dann ist der Funke geflogen und die Dojo-Regel „Sei mit Freude bei der Sache" erfüllt. „Freude, schöner Götterfunken" nennt Friedrich Schiller das in seiner berühmten Ode, von Ludwig van Beethoven kongenial vertont.

Den positiven Aspekt des Feuers – nämlich in seiner künstlerischen Ausformung – betont das Motiv der diesjährigen Marke. Feuerwerk diente zwar ursprünglich kriegerischen Zwecken, aber aus dem Gebrauch des Schwarzpulvers entstand eine eigenständige Feuerwerkskunst, die sich von Italien ausgehend in Europa verbreitete. Zur Kunstform wurde Feuerwerk auch in China und Japan weiterentwickelt, die „Blumen aus Feuer" (jap. Hana-bi) hatten aber religiöse Anlässe.

Wir denken natürlich zuerst an das Silvesterfeuerwerk, das den Beginn eines jeden neuen Jahres einleitet. Als Musiker nenne ich aber auch Georg Friedrich Händels „Music for the Royal Fireworks", die das barocke Feuerwerk im Londoner Green Park 1749 begleitete – aus Anlass des Friedensschlusses von Aachen. Großartig ist es, wenn Feuerwerk sich im Element Wasser spiegeln kann. Mir unvergesslich das „Redentore"-Fest im sommerlichen Venedig, wo ich das – mit Musik – am Canale della Giudecca erleben durfte. Berühmt sind auch „Rhein in Flammen" und „Zürich-Fest" mit Millionen von Zuschauern. Vom deutschen Philosophen Theodor W. Adorno stammt der Satz: „Das Feuerwerk ist die perfekteste Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter wieder entzieht."
Im Aikido hatte ich als Zuschauer bei einem gelungenen Randori – vor allem gegen drei Angreifer – oft die Assoziation mit Feuerwerk. Die Angriffe explodieren gleichsam und verglühen schnell – nach ihrer Umlenkung durch den Nage. Da es sich bei Aikido um eine Kunst der Selbstverteidigung handelt, arbeiten wir jahre-, wenn nicht jahrzehntelang an seiner künstlerischen Ausformung. Der Aikido-Meister ist hochangesehen, genauso wie der Berufsstand des Pyrotechnikers. Denn ein guter Nage muss durch plötzliche Energieentfaltung seine Technik gleichsam auf den Punkt bringen können. Er kann seinen Ki-Fluss lenken und aufgenommene Energie wie ein Feuerwerkskörper explosionsartig freigeben und auf den Angreifer übertragen.

Aus meinen obigen Ausführungen lassen sich drei gute Wünsche für das Jahr 2008 ableiten: mögen alle Aikidoka lodernde Begeisterung für unsere Selbstverteidigungskunst empfinden, ein Feuerwerk an Kreativität soll unseren Übungsleitern gelingen, und unseren ranghöchsten Meistern wünsche ich nie nachlassende Energie bei der Führung unseres Verbandes.

Harald Ketzer
Juka-Club Bergen-Enkheim e.V.